Es geht wieder einmal um das Drogenstrafrecht. Sobald mit einer „nicht geringen Menge“ an Betäubungsmitteln Handel getrieben wird, steht ein Verbrechenstatbestand im Raum, die Folge: Mindeststrafe 1 Jahr – pro Einzeltat. Die Mengenberechnung bezieht sich auf den Anteil der eigentlich psychotropen Substanz in der Gesamtmenge („Wirkstoffgehalt“). Bei einer Verurteilung muss das Gericht dann aber auch begründen, wieso es von einem bestimmten Wirkstoffgehalt ausgeht. Das ist in den Fällen, in denen es zu Sicherstellung der verbotenen Substanzen kam, einfach. Hier werden Gutachten angefertigt. Aber auch in allen anderen Fällen wird vom Gericht nichts Unmögliches verlangt, denn es sind insoweit auch Rückschlüsse aus dem ermittelten Sachverhalt erlaubt. Beliebt ist die Floskel, dass es keine Beschwerden der (erfahrenen und also anspruchsvollen) Abnehmer gegeben habe, oder dass im Rahmen der Telefonüberwachung zu erfahren war, dass das Zeug „gut geballert“ habe, oder Ähnliches.

Die Obergerichte tolerieren in diesem Bereich (wie auch in vielen anderen) ein breites Spektrum der freien richterlichen Überzeugungsbildung (§ 261 StPO) der Instanzrichterinnen und -richter. Nur ganz fehlen dürfen Ausführungen zur Erkenntnisgrundlagen eben auch im Drogenstrafrecht nicht.

Und so hatte eine von unserer Kollegin Yasmin Hackert und unserem Kollegen Dr. Martin Schaar eingelegte Sprungrevision gegen ein erstinstanzliches Urteil des Amtsgericht Plön Erfolg. Die Ausführungen zu drei der verurteilten Taten litten an dem genannten Mangel und konnten deshalb anstelle einer in der Regel vorzugswürdigen Berufung ausnahmsweise unmittelbar mit der Revision angegriffen werden. Das OLG Schleswig hob daraufhin die Gesamtgeldstrafe von 250 Tagessätzen für insgesamt neun Taten des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zum Teil auf. Die Sache wurde zur erneuten Verhandlung und Entscheidung bezüglich der aufgehobenen Taten und der Gesamtgeldstrafe an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Plön zurückverwiesen.

RAin Yasmin Hackert Rechtsanwältin Yasmin Hackert (Foto: Pepe Lange)

Die Aufhebung und Zurückverweisung erfolgte unter ausdrücklicher Würdigung der mit der Revisionsbegründung vorgetragenen Bedenken. Dem Vortrag aus der Revisionsbegründung folgend führte das OLG Schleswig in seinem Beschluss aus, das Urteil ließe nicht erkennen, wie das Amtsgericht zu der Feststellung gelangt sein wollte, dass der Wirkstoffgehalt den Grenzwert für eine nicht geringe Menge (hier Amphetamins) überschritten hatte. Weder konnte auf ein entsprechendes chemisch-toxikologisches Gutachten verwiesen werden noch seien Schätzgrundlagen angegeben worden.

Auch ein Rückschluss aus einem Gutachten bezüglich einer der übrigen Taten sei nicht ohne Weiteres möglich. Im Hinblick auf die dritte Tat sei die Darstellung des Gutachtens im Urteil unzureichend, da es nicht erkennen ließe, welche Menge welcher Substanz untersucht worden sei und welche Untersuchungsmethode angewendet wurde. Dies sei in dem vorliegenden Fall aber besonders wichtig gewesen, da der Grenzwert der nicht geringen Menge unter Heranziehung dieses Gutachtens nur minimal überschritten wurde.

Wir hatten bereits in einem ähnlich gelagerten Fall  erfolgreich Sprungrevision eingelegt. Angesichts der statistisch äußerst geringen Erfolgsquoten von Revisionen der Verteidigung im Strafrecht heben wir gerne einmal die Fälle hervor, in denen tatgerichtliche Fehler aussichtsreich angegriffen werden können und sollten.