Vergangene Woche endete ein rechtlich spannendes Strafverfahren aus dem Bereich des Drogenstrafrechts am Amtsgericht Kiel, das unser Partner Dr. Martin Schaar als Strafverteidiger begleitete.
Ein junger Mann war angeklagt, als Gehilfe mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel getrieben zu haben (1.000 Ecstasy-Tabletten). Das Gesetz sieht für dieses Delikt bei täterschaftlicher Begehungsweise eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr vor. Nachdem unser Mandant im Dezember 2019 zu einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung zu Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt worden war, legte Dr. Martin Schaar Sprungrevision ein. Gerügt wurde insbesondere, dass das Gericht sich im Urteil in seinem Urteil nicht mit dem Wirkstoffgehalt der in Rede stehenden Tabletten auseinandergesetzt hatte, so dass nicht beurteilt werden konnte, ob tatsächlich eine „nicht geringe Menge“ im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes vorliegt. Daneben wurde die Strafzumessung beanstandet, denn das Gericht hatte den Strafausspruch unzulässigerweise unter anderem damit begründet, „ein Signal an die Szene senden“ zu wollen. Das Urteil wurde durch Oberlandesgericht Schleswig Urteil aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht Kiel zurückverwiesen.
Letzte Woche fand nun der zweite Durchgang statt. Dabei war es insbesondere problematisch, dass die Ecstasy-Tabletten physisch nicht vorhanden waren und deshalb nicht hinsichtlich des Wirkstoffgehalts überprüft werden konnten. Das Gericht hätte deshalb schätzen müssen, nach den Statistiken des LKA Schleswig-Holstein und des BKA kommen Ecstasy-Tabletten jedoch sowohl in Bezug auf ihr Gewicht als auch auf ihren Wirkstoffgehalt in völlig unterschiedlichen Formen vor. Zu Nachweisproblemen in diesem Bereich kommt es nicht selten im Drogenstrafrecht.
Wegen dieser Problematik und des Verfahrensverlaufs konnte Herr Dr. Schaar das Gericht und die Staatsanwaltschaft überzeugen, das Verfahren gegen Zahlung einer moderaten Geldauflage einzustellen. Die Kosten des Verfahrens trägt nun zu einem großen Teil die Landeskasse.
So kam es nun gleich zu zwei Signalen: einem für „die Szene“, nämlich sich professionell verteidigen zu lassen, und einem für das Gericht: Strafzumessungsgründe gibt es viele, die Generalprävention, also die Verschärfung der Strafe, um damit viele Andere zu erreichen, ist ein besonders diffiziler, sie darf nur herangezogen werden, wenn „sich eine gemeinschaftsgefährliche Zunahme solcher oder ähnlicher Straftaten, wie sie zur Aburteilung stehen, feststellen läßt“ (so der Bundesgerichtshof, NStZ 1992, 275, beck-online). Denn entgegen allen Populismus‘, die Ergebnisse der empirischen Forschung zur negativen Generalprävention sind eindeutig: Für die Tathäufigkeit kommt weder der Schwere der Strafdrohung des jeweiligen Delikts noch der vom Täter subjektiv erwarteten strafrechtlichen Sanktion wesentliche Bedeutung zu (vgl. nur: Radtke, MüKoStGB vor § 38 Rn. 38 mit zahlr. weiteren Nachweisen).