Karlsruhe beschäftigt sich mit unserer Verfassungsbeschwerde zum sog. Nachrichtenmittler. Obwohl noch keine Entscheidung vorliegt, wollen wir darüber berichten, weil der Fall interessant ist und wir guter Hoffnung sind:

Rechtsanwalt Dr. Martin Schaar

Foto: Pepe Lange

Das Bundesverfassungsgericht sieht sich nämlich die von unserem Kollegen Dr. Schaar bereits im April 2020 eingereichte Verfassungsbeschwerde genauer an. Vom höchsten deutschen Gericht werden gerade Stellungnahmen zweier verschiedener öffentlicher Stellen – des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof und der Behörde für Justiz und Verbraucherschutz Hamburg – eingeholt (§ 94 BVerfGG).

Das ist schon ein Grund zu vorsichtigem Optimismus. Im Jahr 2021 sind 5.059 Verfassungsbeschwerden erhoben worden. Davon sind 4.944 nicht zur Entscheidung angenommen worden, das sind also 97,73 %. Anerkannt ist, dass in der Regel keine Stellungnahmen eingeholt werden, wenn die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen werden soll. Mit der Überwindung dieser ersten Hürde der Annahme zur Entscheidung besteht nun auch eine überwiegende Wahrscheinlichkeit des Gesamterfolgs, denn von den 115 im Jahr 2021 zur Entscheidung angenommenen Verfassungsbeschwerden waren 67 erfolgreich (58,26 %).

Worum geht es in der Verfassungsbeschwerde? Bei unserem Mandanten und Beschwerdeführer fand eine Telefonüberwachung statt, obwohl er keiner Straftat verdächtig und also auch kein Beschuldigter war. Vielmehr wurde er im Rahmen eines Strafverfahrens gegen seinen Vater als sogenannter Nachrichtenmittler abgehört. Sein Vater wurde verdächtigt, vor langer Zeit einen Mord begangen zu haben. Die Ermittlungen waren bereits vor mehreren Jahrzehnten mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden und wurden 2019 durch die Abteilung „Cold Cases“ der Staatsanwaltschaft Hamburg wieder aufgenommen und mit einigem Engagement geführt. Letzteres mag man auch daran ablesen, dass sie auch öffentlich, u.a. bei „Aktenzeichen XY ungelöst“, geführt wurden.

Auch unser Mandant wurde als Zeuge vernommen. Im Anschluss an seine Zeugenvernehmung wurde die gesamte Telekommunikation des Mandanten für mehr als eineinhalb Monate überwacht. Die Maßnahme wurde damit begründet, dass davon auszugehen sei, dass der Mandant nach der Zeugenvernehmung seinen Vater kontaktieren und mit ihm über die Sache sprechen werde. Dies hat für das Gericht ausgereicht, obwohl der Mandant in seiner Zeugenvernehmung angegeben hatte, dass er seit mehr als 30 Jahren keinen Kontakt zu seinem im weit entfernten Ausland lebenden Vater hatte.

Der Kollege Dr. Schaar hält dies aus mehreren Gründen für rechts- und verfassungswidrig und hat seine Verfassungsbeschwerde insbesondere auf folgende Aspekte gestützt: Der Mandant sei schon kein Nachrichtenmittler im Sinne des § 100a Abs. 3 StPO und es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass er tatsächlich mit seinem Vater in Kontakt getreten sein könnte. Auch sei der Umfang der Überwachung grob unverhältnismäßig, weil jedes aufgezeichnete Gespräch vollständig angehört und ausgewertet wurde, auch wenn bereits nach Sekunden eindeutig war, dass der Mandant mit anderen Personen und über andere Dinge sprach.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erwarten wir auch deshalb mit Spannung, weil Abhörmaßnahmen bei völlig unbescholtenen Nachrichtenmittlern nach wie vor zum Tagesgeschäft der Strafverfolger gehören, ohne dass auch nur ansatzweise eine Klärung der rechtlichen Grundlagen und Grenzen vorliegt. Dies wird sich  nun mit unserer Verfassungsbeschwerde zum „Nachrichtenmittler“ hoffentlich ändern.