„Das Strafverfahren im Spannungsfeld von Opferschutz und Beschuldigtenrechten“ – unter diesem Titel hielt unser Kollege Martin Schaar am 25. November 2022 auf Einladung des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein einen Vortrag auf der Tagung XX. Forensische Gespräche in Lübeck.
Gegenstand des Vortrages vor zahlreichen Rechtsmedizinern, Ärzten sowie Vertretern von Gerichten und Staatsanwaltschaften war eine kritische Auseinandersetzung mit opferorientierter Kriminalpolitik und deren Folgen für das Straf- und Strafverfahrensrecht.
Dies wurde unter anderem anhand der wenig gelungenen Neufassung der §§ 58a und 255a StPO illustriert. Die Vorschriften sollen den Geschädigten von Sexualstraftaten belastende Vernehmungen in der Hauptverhandlung ersparen, indem ihre Vernehmung bereits im Ermittlungsverfahren durch eine/n Richter:in durchgeführt und in Bild und Ton aufgezeichnet wird.
§ 255a StPO gestattet es dann, diese Aufzeichnungen später als Ersatz für eine Zeugenvernehmung in die Hauptverhandlung einzuführen (obschon damit ein gewisser Verlust an Beschuldigtenrechten verbunden ist, da die Verteidigung die Aussage nicht mehr unmittelbar hinterfragen kann).
In der Praxis, so die These des Kollegen, führt die Anwendung der Vorschrift häufig zu mehr Vernehmungen als eigentlich notwendig und wirkt sich damit im Spannungsfeld von Opferschutz und Beschuldigtenrechten tatsächlich zulasten beider aus.