In der aktuellen Ausgabe der Neuen Zeitschrift für Strafrecht – NStZ (2/2023, Seite 120-122) analysiert unser Kollege Dr. Buchholz in einem Praxiskommentar zur nachträglichen Protokollberichtigung eine Entscheidung des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs in einem sog. EncroChat-Verfahren.

Protokollberichtigung

Dabei ging es überraschender Weise nicht um die (Verwertung der) Chatprotokolle des EncroChat-Handys, sondern vor allem um das Wirkstoffgutachten hinsichtlich des in Rede stehenden Amphetamins. Dieses Gutachten sollte im Wege des sog. Selbstleseverfahrens nach § 249 Abs. 2 StPO in die Hauptverhandlung beweisrechtlich Eingang finden. Das bedeutet, dass Urkunden in der Verhandlung nicht laut vorgelesen und dadurch eingeführt, sondern zwischen den Verhandlungstagen von den Beteiligten „selbst“ gelesen werden.

Das soll Strafprozesse vereinfachen und verkürzen – und das tut es auch, ist aber auch fehleranfällig, wie man an diesem Fall sieht: Die Vorsitzende der Kammer (Landgericht Frankfurt am Main) stellte nach Abschluss des Selbstleseverfahrens im Sitzungsprotokoll nur hinsichtlich „der Schöffen, der Vertreter der StA, der Verteidiger sowie der Angeklagten“ fest, dass diese erklärten, „vom Inhalt des Selbstleseordners voll umfänglich Kenntnis genommen haben“.

Worin liegt das Problem? In dieser Aufzählung fehlen welche. § 249 Abs. 2 S. 1 StPO verlangt selbstverständlich auch die Kenntnisnahme vom Wortlaut der Urkunden durch die Berufsrichterinnen. Folgerichtig wurde Revision eingelegt.

Die Kammervorsitzende behauptete nun, dass die Kenntnisnahme durch die Berufsrichterinnen zwar festgestellt, nur versehentlich nicht ins Protokoll aufgenommen worden sei. Daraufhin erließ die Kammer einen entsprechenden Protokollberichtigungsbeschluss. Da dies jedoch zu einer sog. Rügeverkümmerung der Revision führen würde, war ein strenges Protokollberichtigungsverfahren einzuhalten. Dessen formelle und materielle Voraussetzungen benennt der 2. Strafsenat  geradezu lehrbuchartig. Unser Kollege Dr. Buchholz kann da in seinem Kommentar nur zustimmen.

So kam der Senat zu der Auffassung, dass eine Protokollberichtigung vorliegend ausscheide, da bereits die dienstlichen Erklärungen der Vorsitzenden sowie der Protokollkraft den Beschluss inhaltlich nicht tragen. Ausnahmsweise wurde also doch einmal ein Urteil in einem EncroChat-Verfahren aufgehoben. Allerdings aber nicht, wie auch zu lesen und zu hören war, wegen der Unverwertbarkeit der Daten, sondern „nur“ wegen der Rechtsfehler im Selbstleseverfahren.

Für kritikwürdig hält unser Kollege aber einen Aspekt des Verfahrens der Protokollberichtigung. Kammervorsitzende leiten nämlich ihre dienstlichen Erklärungen der Protokollkraft zu, bevor diese selbst ihre Erklärung formulieren. Dieser Praxis sollte ein Ende bereitet werden. Die Gefahr liegt allzu nahe, dass die Protokollkraft bewusst oder unbewusst von dem Inhalt des vorgelegten beeinflusst wird. Eine Rechtfertigung für eine solche fehleranfällige Praxis ist auch nicht erkennbar.

Dr. Buchholz schlägt in dem Praxiskommentar daher vor, den Ablauf der Abgabe der dienstlichen Erklärungen dahingehend zu ändern, dass Vorsitzende und Protokollkraft unabhängig voneinander ihre Erinnerungen in den dienstlichen Erklärungen darstellen.