Ein alltägliches Geschehen: Bei einer Polizeikontrolle auf einem Parkplatz stellen die Beamten bei einem Betroffenen Marihuana-Geruch fest und bitten darum, in seine Bauchtasche sehen zu dürfen. Dieser willigt nicht nur hierin ein, sondern – als die Beamten eine Ecstasy-Tablette und eine geringe Menge Marihuana finden – auch darin, den Kofferraum seines Mercedes‘ zu öffnen. Diese Bereitschaft des Verdächtigen zum Entgegenkommen erstaunt etwas, denn es finden sich mehrere Plastiktüten mit insgesamt zwei Kilogramm Marihuana.

In dem nun unausweichlichen Strafverfahren wird unser Kollege Dr. Schaar mit der Verteidigung beauftragt. Dieser macht geltend,  die Durchsuchung des Kofferraums sei rechtswidrig und insbesondere nicht durch eine Einwilligung gerechtfertigt gewesen (eine der anderen denkbaren rechtlichen Voraussetzungen für eine Durchsuchung – eine richterliche Anordnung oder Gefahr im Verzug – lag ersichtlich nicht vor). Keine Einwilligung? Was ist mit der freundlichen Bereitschaft, der Bitte der Polizeibeamten nachzukommen und den Kofferraum zu öffnen? Diese reicht für die Annahme einer wirksamen Einwilligung nicht aus: Jetzt wird es ein wenig kompliziert und die Begründung wird vielleicht auch dem ein oder anderen juristisch Geschulten nicht unmittelbar vor Augen gestanden haben: Eine Einwilligung ist nur unter bestimmten Voraussetzungen rechtswirksam. Und die haben hier nicht vorgelegen. Die Polizeibeamten haben entgegen § 500 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 51 Abs. 3 S. 3 BDSG nicht vor Abfrage der Einwilligung über die Widerruflichkeit und der ex-nunc-Wirkung derselben belehrt. Zum anderen haben die Beamten entgegen § 500 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 51 Abs. 4 S. 3 BDSG nicht auf den vorgesehenen Zweck der Datenverarbeitung hingewiesen.

§ 500 Abs. 1 StPO lautet: „Soweit öffentliche Stellen der Länder im Anwendungsbereich dieses Gesetzes personenbezogene Daten verarbeiten, ist Teil 3 des Bundesdatenschutzgesetzes entsprechend anzuwenden.“

§ 51 Abs. 3 und 4 BDSG lauten: (3): „Die betroffene Person hat das Recht, ihre Einwilligung jederzeit zu widerrufen. Durch den Widerruf der Einwilligung wird die Rechtmäßigkeit der aufgrund der Einwilligung bis zum Widerruf erfolgten Verarbeitung nicht berührt. Die betroffene Person ist vor Abgabe der Einwilligung hiervon in Kenntnis zu setzen.“ (4): „Die Einwilligung ist nur wirksam, wenn sie auf der freien Entscheidung der betroffenen Person beruht. Bei der Beurteilung, ob die Einwilligung freiwillig erteilt wurde, müssen die Umstände der Erteilung berücksichtigt werden. Die betroffene Person ist auf den vorgesehenen Zweck der Verarbeitung hinzuweisen. Ist dies nach den Umständen des Einzelfalles erforderlich oder verlangt die betroffene Person dies, ist sie auch über die Folgen der Verweigerung der Einwilligung zu belehren.“

Auf den Verstoß gegen die datenschutzrechtlichen Normen hat Dr. Schaar in seiner Beschwerde hingewiesen. Staatsanwaltschaft und Amtsgericht mochten ihm nicht folgen. Das Landgericht Kiel hat aber dann seine – soweit wir das sehen – erste Entscheidung unter Bezugnahme auf § 500 StPO getroffen (unter Insidern kursierte bislang nur eine Entscheidung eines anderen Landgerichts mit entsprechender Begründung: LG Berlin 504 Qs 7/20, das Landgericht Berlin bestätigte letztes Jahr einen Beschluss des bekannten Ermittlungsrichters vom Amtsgericht Tiergarten Buckow). Die drei Berufsrichter des Landgerichts Kiel haben nun ihren Beschluss auf fünf Seiten ausführlich und unter Bezugnahme auf Literatur zum BDSG und zu der DS-GVO begründet. Er wird sicher noch für weitere Diskussionen sorgen und hoffentlich das Bewusstsein umfassender Aufklärung über Bürgerrechte bei den Strafverfolgungsorganen stärken.