In einem wegen des Verdachts des Besitzes von Marihuana geführten Ermittlungsverfahren hat die Polizei (und nicht Gericht oder Staatsanwaltschaft) über die Durchsuchung einer Wohnung selbst entschieden und diese dann durchgeführt. Ein solches Vorgehen ist den Ermittlungsbehörden aber nur dann erlaubt, wenn „Gefahr im Verzug“ (§ 105 Abs. 1 StPO) besteht. Darüber, welche Situationen eine entsprechende Annahme rechtfertigen und was Polizisten in diesen Fällen zu berücksichtigen haben, kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung.

In dem von unseren Kollegen Dr. Schaar und Dr. Buchholz geführten Verfahren ging es um einen eigentlich längst vom Bundesverfassungsgericht geklärten Punkt: Die Polizei darf die Voraussetzungen für die Annahme von Gefahr im Verzug nicht selbst herbeiführen. Wenn – wie hier – Polizisten Marihuanageruch wahrnehmen und meinen, diesen einer konkreten Wohnung zuordnen zu können, haben sie sich um eine richterliche Anordnung der Durchsuchung zu bemühen. Darauf haben die hier beteiligten Beamte in diesem Fall aber verzichtet. Stattdessen haben sie sich Zugang zum Haus verschafft und an die Wohnungstür geklopft. Und hiermit haben die Polizeibeamten ohne Not eine Situation erst geschaffen, die Gefahr im Verzug bedeutet: Nach dem Klopfen mussten sie weiter handeln, eine Unterbrechung des Einsatzes zur Veranlassung einer staatsanwaltschaftlichen oder richterlichen Anordnung war ab diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich, denn ab jetzt drohte die Gefahr, dass die Beschuldigten die Gelegenheit nutzen würden, um etwaige Drogen wegzuschaffen. Es ist also das gesamte Geschehen zu überprüfen. Vor dem Klopfen hätte ohne weiteres ein Beschluss herbeigeführt werden können; dass danach Gefahr im Verzug bestand, konnte das Verhalten der Ermittler also nicht mehr rechtfertigen.

Zu solchen Konstellationen hat das Bundesverfassungsgericht bereits vor über fünfzehn Jahren in einer vielzitierten Entscheidung (NJW 2005, 1637) festgehalten:

Polizei und StA müssen bei ihrem Vorgehen im Ermittlungsverfahren den Ausnahmecharakter der nichtrichterlichen Durchsuchungsanordnung beachten und gegebenenfalls die nachträgliche gerichtliche Prüfung der Durchsuchungsvoraussetzungen ermöglichen. Sie dürfen die Regelzuständigkeit des Ermittlungsrichters nicht unterlaufen, indem sie so lange zuwarten, bis die Gefahr eines Beweismittelverlusts eingetreten ist. Selbst herbeigeführte tatsächliche Voraussetzungen können die Gefahr im Verzuge und die Eilkompetenz nicht begründen. Der Durchsuchung muss in aller Regel der Versuch vorausgehen, einen Ermittlungsrichter zu erreichen und bei dessen Unerreichbarkeit einen Staatsanwalt (§ 105 I 1 StPO).

Angesichts der klaren Rechtsprechung war es dann verwunderlich, dass das Amtsgericht Kiel die Durchsuchung  für rechtmäßig gehalten hat. Umso erfreulicher ist es aber nun, dass das Landgericht Kiel dem Handeln der Ermittlungsbehörden Grenzen gesetzt und die Rechtswidrigkeit festgestellt hat.