Der Mandant unserer Kollegin Yasmin Hackert und unseres Kollegen Dr. Martin Schaar betreibt einen Handyshop. Die Verteidigung hatte nun mit ihrer Beschwerde gegen einen Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Kiel Erfolg. Dabei ging es um die konkreten Prüfpflichten, die im Zusammenhang mit dem Verkauf und der Registrierung von Sim-Karten bestehen. Das Landgericht Kiel stellte mit Beschluss vom 23. Februar 2023 (10 Qs 79/22) die Rechtswidrigkeit des angegriffenen Durchsuchungsbeschlusses fest. Die im Rahmen der Durchsuchung sichergestellten Gegenstände waren an unseren Mandaten herauszugeben (LG Kiel, Beschluss vom 23. Februar 2023, 10 Qs 2/23).

Anknüpfungspunkt für die Vorwürfe waren diverse, auf nicht existierende Personen registrierte sog. Prepaid-SIM-Karten. Auf diese waren die Ermittlungsbehörden im Kontext eines gegen Dritte gesondert geführten Ermittlungsverfahrens aufmerksam geworden. Im Folgenden wurde gegen unseren Mandanten ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Er soll als Inhaber des Handyshops, in welchem die SIM-Karten falsch validiert worden sein sollen, seine Pflichten verletzt haben. Der Vorwurf wurde dem Kernstrafrecht entnommen, hier den Urkundsdelikten. Im vom Händler nach Prüfung erstellten Urkundensatz sollte eine „Fälschung beweiserheblicher Daten“ (§ 269 StGB) zu erblicken sein. Im weiteren Verlauf hat das Amtsgericht Kiel sodann auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Durchsuchung der Wohn- sowie Geschäftsräume angeordnet. Das Amtsgericht Kiel sah vor diesem Hintergrund den entsprechenden Anfangsverdacht gemäß § 269 Abs. 1 Var. 1 StGB als gegeben an. Dieser im Ergebnis unzutreffenden Rechtsauffassung sind Yasmin Hackert und Martin Schaar nun erfolgreich entgegengetreten.

Seit der Verabschiedung des sogenannten Anti-Terror-Pakets im Jahr 2016 besteht für Telekommunikationsdienstleistende die Pflicht, die Identität von Käufer:innen von Prepaid-Telefonkarten anhand geeigneter Identitätsdokumente zu überprüfen. Diese Karten sollen nur gegen Vorlage von Ausweispapieren und Identitätsnachweis verkauft werden dürfen. Aber wie weit gehen insoweit die Prüfungspflichten von Verkäufer:innen? Soll die Echtheit dieser Dokumente verifiziert werden, und wenn ja, wie? Und kann der erstellte Datensatz tatsächlich vom Tatbestand der Urkundsdelikte erfasst sein?

Unsere Kolleg:innen haben die Auffassung vertreten, dass der objektive Tatbestand von § 269 Abs. 1 StGB selbst dann nicht erfüllt wäre, wenn dem Shop-Inhaber die Unrichtigkeit der Identitätsangaben bekannt gewesen oder er diese billigend in Kauf genommen hätte. Denn zum einen handele es sich bei den für die Registrierung erfassten Nutzer:innendaten nicht um beweiserhebliche Daten. Zum anderen würde das Falsifikat im Falle seiner (fiktiven) Wahrnehmbarkeit auch keine „unechte oder verfälschte“ Urkunde darstellen. Denn bei der Registrierung von SIM-Karten unter einer falschen Identität, also unter falschem Namen, handele sich lediglich um eine sog. schriftliche Lüge, welche von § 269 StGB jedoch gerade nicht erfasst sei. Damit kam es auf die nach dem Stand der Ermittlungen ohnehin noch offene Frage, ob unser Mandant überhaupt derjenige war, der die einzelnen Registrierungen der SIM-Karten vorgenommen hat, gar nicht mehr an.

Handyshop

Rechtsanwältin Yasmin Hackert – Foto: Pepe Lange

Das Landgericht hat sich unserer rechtlichen Wertung im Wesentlichen angeschlossen und entschieden, dass die Durchsuchung nicht hätte angeordnet werden dürfen, da gegen unseren Mandanten insoweit nicht einmal ein Anfangsverdacht vorgelegen habe.

Es blieb der (allenfalls schwache) Verdacht der Begehung von Ordnungswidrigkeiten nach dem Telekommunikationsgesetz (TKG). In Anbetracht der Erheblichkeit des Eingriffs konnte eine Durchsuchungsanordnung jedoch hierauf nicht gestützt werden. Angesichts der Betroffenheit des Grundrechts aus Art. 13 GG habe die Anordnung einer Durchsuchung von Wohnräumen außer Verhältnis zu der Stärke des möglichen Verdachts und zum Gewicht der in Betracht kommenden Ordnungswidrigkeiten gestanden.