Das Amtsgericht Kiel erklärte am 28.11.2018 nach über vier Jahren (!) Bearbeitungszeit sämtliche 11 in einem Verfahren wegen eines Verbrechens angeordneten Ermittlungsmaßnahmen für rechtswidrig. Das zugrunde liegende Strafverfahren war bereits im Jahr 2014 mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden.

Im Jahr 2013 waren auf Anträge der Staatsanwaltschaft hin die Observation des Beschuldigten, das Abhören und Ausspähen seiner Telekommunikation sowie die Abhörung des nicht öffentlich gesprochenen Wortes in dessen Pkw angeordnet sowie (teils mehrfach) verlängert worden. Nun hat sich die Sichtweise der Verteidigung bestätigt: Die monatelange Total-Überwachung war rechtswidrig.

In seinen vor Jahren gestellten Anträgen hat unser Partner Prof. Dr. Gubitz darauf hingewiesen und ausführlich begründet, dass schon der erforderliche Anfangsverdacht nicht vorlag. Dies hat das Amtsgericht Kiel am 28.11.2018 nun antragsgemäß bestätigt (Az.: 43 Gs 4139-4147/14).

Vor fünf Jahren hatte sich das Ermittlungsgericht bei den genannten Anordnungen insbesondere auf die Angaben einer anonymen Vertrauensperson gestützt. Deren Aussage wertete das Amtsgericht Kiel nun jedoch ganz anders: Die Qualität der Aussage sei „dürftig“ und belaste unseren Mandanten nicht „substantiell“. Es ergebe sich „kein belastbarer Anhaltspunkt“, der geeignet gewesen sei, „einen Verdacht zu begründen“. Auch der übrige Akteninhalt rechtfertigte die Anordnungen nach Ansicht des Amtsgerichts nicht.

Vor diesem Hintergrund kann man sich nur wundern, dass das Amtsgericht (natürlich in anderer richterlicher Besetzung) vor fünf Jahren offenbar wenig Bedenken hatte, derart intensive Grundrechtseingriffe vorzunehmen. Eine Erklärung ist, dass sich Ermittlungsrichter vielfach auf Angaben der Staatsanwaltschaft und Polizei verlassen (müssen). Der vorliegende Fall zeigt, das einer Ausweitung staatlicher Eingriffsbefugnisse unter dem Hinweis auf das Korrektiv des Richtervorbehalts dringend Einhalt zu gebieten ist. Gerade im Ermittlungsverfahren liegt die Informationshoheit bei den Strafverfolgern. In allzu vielen Fällen entscheiden diese damit de facto auch über die Grundrechtseingriffe.

Was der Bürger davon hat, diese Eingriffe später gerichtlich überprüfen zu lassen, zeigt dieses Verfahren ebenfalls exemplarisch: Vier Jahre nach Erhalt der Akte, Information über die Totalüberwachung und Ermöglichung eines Rechtsmittels ergeht eine Entscheidung. Der mit Verfassungsrang ausgestattete Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes wird so sicherlich nicht gewahrt.

So zufriedenstellend der amtsgerichtliche Beschluss also nun im Ergebnis auch ist, für unseren Mandanten kommt die damit verbundene Gewissheit reichlich spät.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Sollte die Posse durch ein Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft fortgesetzt werden, lesen Sie an dieser Stelle davon.