Unser Kollege Gubitz war Berichterstatter für eine Stellungnahme des Ausschusses Strafprozessrecht der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) zum „Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften“. Die BRAK hat diese Stellungnahme übernommen und an einen bundesweiten Verteiler am Gesetzgebungsverfahren beteiligter öffentlicher Stellen sowie anwaltliche Berufsverbände, Fachverlage und überregionale Medien versandt.

Mit dem Entwurf sollen „Regelungslücken im Bereich der strafprozessualen Ermittlungsbefugnisse behoben werden“. Diese Regelungslücken werden beim Einsatz von sogenannten automatisierten Kennzeichenlesesystemen (AKLS) im öffentlichen Verkehrsraum zu Fahndungszwecken gesehen, aber auch im Recht der Postbeschlagnahme. Daneben soll nach Auffassung der Entwurfsverfasser der Bedarf bestehen, „eine Reihe von Korrekturen und Anpassungen in verschiedenen weiteren Bereichen der StPO, anderer Verfahrensordnungen, des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) sowie in sonstigen Gesetzen vorzunehmen“. Weitere Änderungen betreffen den Opferschutz; der Entwurf enthält insoweit eine gesetzliche Definition des Verletztenbegriffs innerhalb der StPO und die Aufnahme der sexuellen Selbstbestimmung in den Schutzbereich des Gewaltschutzgesetzes.

Aus dem Inhalt der Stellungnahme:

„Nach der ‚Effektivierung‘ (2017) und der ‚Modernisierung‘ (Dezember 2019) nun also die ‚Fortentwicklung‘ der Strafprozessordnung. Bereits das noch nicht einmal ein Jahr alte Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10. Dezember 2019 enthält insgesamt zwölf Maßnahmen mit punktuellen Änderungen des Strafverfahrensrechts, welche die am 15. Mai 2019 von der Bundesregierung beschlossenen und ‚bereits sehr kleinteilig formulierten Eckpunkte zur Modernisierung des Strafverfahrens umsetzten‘. Es fragt sich ganz grundsätzlich, ob tatsächlich jede (vermeintliche) ‚Regelungslücke‘ neue Gesetze in dieser raschen Folge notwendig macht.
Daneben führte bekanntlich auch der ‚Opferschutz‘ bereits zu hoher gesetzgeberischer Aktivität: In den letzten 16 Jahren gab es drei Opferrechtsreformgesetze (2004, 2009 und 2015) und ein Gesetz zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs (StORMG, 2013). Dennoch sieht auch in diesem Bereich der Referentenentwurf weiteren Handlungsbedarf. Aus diesem Reformeifer folgt ein erster Kritikpunkt: Gesetze können nur dann ‚praxistauglich‘, ‚effektiv‘ und ‚modern‘ sein, wenn sie umgesetzt werden. Wenn die Rechtsanwender auf Seiten der Gerichte, Staatsanwaltschaften und Anwaltschaft aber Schwierigkeiten bekommen, den Überblick zu behalten, wird nicht effektiviert, sondern eine ernstzunehmende Gefahr geschaffen. Die allseits beklagte Überlastung der Justiz lässt sich in der Wahrnehmung der BRAK nur zum Teil mit Personalknappheit und nur ganz selten mit ineffektiven Gesetzen begründen, aber eben durchaus auch mit von der Sache überfordertem Justizpersonal. Jede Reform erhöht die Anforderungen und greift in ein System ein, das eine gewisse Balance gefunden hat. Jede Reform muss sich daran messen lassen, ob der durch sie geschaffene Aufwand durch ihren Ertrag gerechtfertigt wird. Vor diesem Hintergrund überzeugt der vorgelegte Gesetzentwurf nicht. Er bleibt eine Rechtfertigung dafür, mit der StPO eine der für den bundesrepublikanischen Rechtsstaat wesentlichen Verfahrensordnungen nach kurzer Zeit erneut an vielen Stellen ändern zu wollen, schuldig. Auch die nachvollziehbaren Korrekturerfordernisse erscheinen nicht derart dringlich, dass sie nicht bis zur nächsten größeren Novellierung hätten zurückgestellt werden können. Andere Änderungen sind mit Beschneidungen von Beschuldigtenrechten verbunden, ohne dass eine überzeugende Begründung für deren Notwendigkeit erfolgt.“

Im Anschluss folgt dann eine Auseinandersetzung mit den einzelnen Änderungsvorstellungen des Entwurfs zur StPO (insbesondere zum Einsatz von sogenannten automatisierten Kennzeichenlesesystemen -AKLS- im öffentlichen Verkehrsraum zu Fahndungszwecken und zum Recht der Postbeschlagnahme), zu anderen Verfahrensordnungen und dem Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) sowie zum Thema Opferschutz.