Unser Kollege Gubitz war Berichterstatter für die BRAK-Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur weiteren Digitalisierung der Justiz.
Und es gab wieder einmal Anlass zur Kritik. Wir hatten schon in früheren Blog-Beiträgen dazu berichtet: Im Strafrecht funktionierte Gesetzgebung in den letzten 20 Jahren so, dass Verteidigungsrechte es im Widerstreit mit Strafverfolgungsinteressen stets schwer hatten. Zahlreiche Vorhaben bauten Beschuldigtenrechte ab und verschärften Straftatbestände. Wahlweise begründet wurden die entsprechenden Reformgesetze mit „Effektivierung“ (2017), „Modernisierung“ (2019) und „Fortentwicklung“ (2020). Jetzt kann man in diese Reihe der in Anführungsstriche zu setzenden Begriffe auch die „Digitalisierung“ aufnehmen.
Wichtige Themen bleiben ausgespart und das vergleichsweise Unwichtige, das angepackt wird, wird wiederum zum Abbau von Beschuldigtenrechten genutzt. So soll etwa bei Belehrungen über die Rechte gerade Inhaftierter im Rahmen von § 114b StPO die Unterschrift der Betroffenen durch einen entsprechenden Vermerk der Ermittler ersetzt werden. Angeblich soll damit das Problem eines „Medienbruches“, Zitat aus der Entwurfsbegründung, gelöst werden. Der Medienbruch soll dabei in der Notwendigkeit liegen, dass „schriftliche Erklärungen in elektronische Dokumente übertragen werden müssen“. Um also das Einscannen eines Blattes Papier einzusparen, werden Vorschriften aufgeweicht, die bisher die Verfahrensrechte Beschuldigter effektiv wahren.
Dabei gibt es doch so wichtige Baustellen auf dem Weg ins digitale Zeitalter des Strafprozesses:
Es hätten beispielsweise weitere Schritte definiert und vollzogen werden können zur Führung der elektronischen Straf-Verfahrensakte und der Akteneinsicht in dieselbe. Oder es hätte nach Antworten auf die Frage gesucht werden können, inwieweit die nahezu vollständige Digitalisierung des privaten und geschäftlichen Lebens auch eine wirksame Begrenzung staatlicher Zwangsmittel bedingt. Die Beschlagnahme eines Handys ermöglicht aufgrund dessen allumfassender Nutzbarkeit als Speicher- und Kommunikationsmedium praktisch den Zugriff auf alle denkbaren persönlichen Daten. Und ein Durchsuchungsbeschluss, der pauschal auch „digital gespeicherte Daten“ umfasst, ebenso. Hierauf hätte durch eine Erneuerung beispielsweise des § 110 StPO adäquat reagiert werden können. Das wären Themen gewesen!
Und, eigentlich kaum zu fassen: Anwält:innen bekommen ihre Aufwendungen nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz adäquat ersetzt, wenn sie Papier(!)kopien herstellen, aber nicht für Scans.
Die mit der Arbeitsgruppe Elektronischer Rechtsverkehr und dem Ausschuss Rechtsanwaltsvergütung gemeinsam erstellte Stellungnahme des Ausschusses StPO der BRAK finden Sie hier:
Auch die Kolleg:innen vom DAV haben eine Stellungnahme verfasst, interessant hier vor allem der Teil zu den geplanten Änderungen für strafrechtliche Revisionshauptverhandlung, hier soll die Teilnahme per Videoschaltung möglich werden. Berichterstatter war hier der Berliner Kollege Norouzi, einer der bundesweit führenden Revisionsverteidiger.