Das Verwaltungsgericht Schleswig hat entschieden: Das von der Polizei Kiel ausgesprochene Aufenthaltsverbot für die Kieler Woche ist „offensichtlich rechtswidrig“.
Die Kieler Nachrichten hatten auf ihrer Titelseite vom Samstag, 10. Juni, noch Folgendes verlautbart:
Die ersten Straftäter haben bereits Kieler-Woche-Verbot
Polizei untersagt besonders kriminellen Jugendlichen den Besuch des Sommerfestes
Einen der hier gemeinten (aber sicher nicht „besonders kriminellen“) Jugendlichen vertritt unser Kollege Dr. Schaar.
Foto: Pepe Lange
Wir veröffentlichen hier den Wortlaut unserer Pressemitteilung:
Aufenthaltsverbot für Kieler Woche – Pressemitteilung der Kanzlei Gubitz und Partner
Aufenthaltsverbot der Polizeidirektion Kiel für die Dauer und den Bereich der „Kieler Woche“ „offensichtlich rechtswidrig“ – das hat das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht (Az.: 3 B 43/23) heute entschieden.
Die Polizeidirektion Kiel hatte gegen den minderjährigen Mandanten von Rechtsanwalt Dr. Schaar ein Aufenthaltsverbot gem. § 201 Abs. 2 LVwG für den Bereich der Kieler Woche sowie die unmittelbar angrenzenden Gebiete – also faktisch weite Teile der Innenstadt – vom 16.06.2023 bis Samstag, 24.06.2023, jeweils von 16 bis 2 Uhr des Folgetages, sowie für Sonntag, den 25.06.2023, von 16 bis 24 Uhr ausgesprochen. Bei Zuwiderhandlungen drohte u.a. ein Zwangsgeld sowie die zwangsweise Durchsetzung des Verbotes. Es wurde der Sofortvollzug der Maßnahme durch die Behörde angeordnet. Begründet wurde das Aufenthaltsverbot im Wesentlichen damit, dass gegen den jungen Mann eine Reihe von Ermittlungsverfahren u.a. wegen Körperverletzungsdelikten geführt werden.
Wohl gemerkt ging es nicht um bereits erfolgte Verurteilungen. Es ist daher völlig unverständlich, dass in der Presse von „Straftätern“ zu lesen war.
Gegen das Verbot legte Dr. Schaar Widerspruch ein und beantragte im Weg des vorläufigen Rechtschutzes die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruches.
Mit der Entscheidung vom heutigen Tage, rechtzeitig vor dem Beginn der „Kieler Woche“, bekamen Rechtsanwalt Dr. Schaar und sein Mandant nun Recht. Das ausgesprochene Verbot erweist sich nach summarischer Prüfung durch das Verwaltungsgericht als „offensichtlich rechtswidrig“. Das Gericht kritisiert insbesondere, dass die von der Polizeidirektion angeführten angeblichen Vorfälle, an denen der Mandant beteiligt gewesen sein soll, in keinerlei Zusammenhang mit dem Fest „Kieler Woche“ standen. Außerdem kritisierte das Gericht die Maßnahme als nicht verhältnismäßig, da das Gesetz unter anderem als milderes Mittel einen Platzverweis mit Rückkehrverbot vorsieht.
Solche Platzverweise sind in den letzten Jahren auch regelmäßig ausgesprochen worden, wenn es zu Zwischenfällen auf der „Kieler Woche“ kam.
Dr. Schaar bewertet den Vorgang folgendermaßen: „Es ist in einem Rechtsstaat unzulässig, ohne konkreten Anlass die Freiheit eines Einzelnen in einem solchen Ausmaß zu beschränken. Das gilt erst recht, wenn dies nur dem Zweck dient, dass Andere quasi vor seinen Augen ungestört feiern können. Welches Signal sendet man damit an den betroffenen Jugendlichen, der bislang noch nicht einmal einschlägig vorbestraft ist? Die Polizei hätte es besser wissen können und hat ausreichend andere Mittel, Recht und Gesetz durchzusetzen.“