Kein Tatverdacht: Beschwerde gegen Durchsuchungsbeschluss erfolgreich. Der Mandantin unseres Kollegen Martin Schaar wurde ein Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz vorgeworfen. Sie soll bei einem gesondert verfolgten Beschuldigten Betäubungsmittel in nicht geringer Menge erworben haben. Anknüpfungspunkt für diesen Vorwurf war die längerfristige Observation einer anderen Person (im Fachjargon: „gesondert Verfolgter“). Im Rahmen dieser Observationsmaßnahme wurde ein Fahrzeug an dessen Wohnanschrift beobachtet. Halterin des Fahrzeugs war unsere Mandantin. Der Videoüberwachung ist zu entnehmen, dass eine weibliche Person aus dem Fahrzeug stieg, sich zur Wohnung begab und etwa vier Minuten später mit einer größeren Einkaufstasche zu dem Fahrzeug zurückkehrte, diese in dem Fahrzeug verstaute und dann wegfuhr. Der Inhalt der Tasche ist nicht bekannt. Es stand nicht einmal fest, ob es sich bei der weiblichen Person um die Fahrzeughalterin, also unsere Mandantin, handelte.

Für Polizei und Staatsanwaltschaft hatte die Verdachtslage dennoch ausgereicht für die Beantragung eines Durchsuchungsbeschlusses. Dem folgte das Amtsgericht Flensburg und beschloss am 2. Januar 2023 (480 Gs 4/23) die Durchsuchung der Wohnung unserer Mandantin. Es bestünde der Verdacht des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln.

Beschwerde gegen Durchsuchungsbeschluss

Foto: Pepe Lange

Gegen diese Durchsuchungsbeschluss erhob unser Kollege Beschwerde. Die Durchsuchung der Wohnung stellt bekanntlich einen schweren Eingriff in die grundrechtlich geschützte Sphäre des Betroffenen, nämlich die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG), dar. Voraussetzung einer Durchsuchungsanordnung ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte Straftat begangen worden ist. Dafür müssen bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. Unsere Beschwerde wurde naheliegenderweise unter anderem damit begründet, dass nicht feststehe, ob es sich bei der Fahrzeugführerin überhaupt um die Fahrzeughalterin handelt. Die im Rahmen der Observation entstandenen Aufnahmen waren unscharf und zu Identifizierungszwecken nicht geeignet. Eine entsprechende Bewertung der Ermittler ließ sich sogar einem Sonderband Observation der Akte entnehmen. Darüber hinaus war der Inhalt der Tasche unbekannt. Bestimmte konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sich in der Tüte Betäubungsmittel befanden, lagen eben gerade nicht vor.

Dieser rechtlichen Wertung schloss sich nun das Landgericht Flensburg mit Beschluss vom 7. Juni 2023 (I Qs 19/23) an. Die Kammer entschied, dass tatsächliche Anhaltspunkte für den konkreten Verdacht einer Straftat – hier ein Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz – nicht vorlagen. Das Landgericht führte u.a. aus, dass es nicht ausreiche, sich zur Wohnung eines Verdächtigen zu begeben und dort eine „augenscheinlich befüllte Tasche“ an sich zu nehmen, um selbst ausreichend verdächtig zu werden. Der Inhalt der Tasche sei nicht bekannt. Die Annahme, dass diese mit Betäubungsmitteln – unbekannter Art und Menge – gefüllt gewesen war, stelle nur eine vage, auf keinen konkreten Anhaltspunkten beruhende Vermutung dar.

So ist es. Vage Vermutungen rechtfertigen eine Wohnungsdurchsuchung nicht.