Drei sogenannte EncroChat-Verfahren (mindestens) haben das Stadium der Hauptverhandlung am Landgericht Kiel erreicht (eine Einführung in das Thema finden Sie hier). Drei verschiedene Kammern sind bzw. waren befasst. Ein Verfahren ist mit einer Absprache und mehrjährigen Freiheitsstrafe vor kurzem beendet worden. In den beiden weiteren verteidigen insgesamt vier Kollegen unserer Kanzlei, und es hat in dieser Woche jeweils der erste Hauptverhandlungstag stattgefunden. In dem Verfahren unserer Kollegen Buchholz und Gubitz haben diese einen Aussetzungs- und Beweisantrag gestellt. Da die lokale Presse (naturgemäß) etwas verkürzt berichtet hat (KN und shz) dokumentieren wir Teile unseres Antrags hier:

„Im Zentrum dieses Strafprozesses steht die Frage nach der Unverwertbarkeit der Auswertungen eines EncroChat-Handys. Dass die französische Polizei auf eine Weise vorgegangen ist, die nach deutschem Recht krass rechtswidrig gewesen wäre, hat die Verteidigung bereits im Ermittlungsverfahren geltend gemacht. Der Verstoß gegen § 91 Abs. 6 IRG liegt auf der Hand. Die französischen Behörden haben entgegen der gesetzlichen Grundlagen, die deutsche Justiz nicht vor Durchführung der Maßnahmen unterrichtet, um dieser die Gelegenheit zur rechtlichen Überprüfung zu geben. Es drängt sich auf, dass die deutschen Ermittlungsbehörden unter Umgehung der rechtlichen Grenzen in Deutschland eine Auftragsarbeit bei den französischen Behörden nachgefragt haben. Oder zumindest billigend in Kauf genommen haben, sich an einem bislang einzigartigen europäischen Rechtsstaats-Umgehungsgeschäft zu beteiligen: Das Land mit den niedrigsten strafprozessualen Standards erhebt auf unklare Art Beweise und verteilt diese an insoweit skrupellose Länder. Die Maßnahmen der französischen Behörden zielten von Anfang an auf eine Verwertung der Ergebnisse auch gegen ausländische Nutzer ab.

Die Einzelheiten hierzu müssen, wenn diese Erosion rechtsstaatlicher Mindeststandards nicht in Deutschland fortgesetzt werden soll, in den kommenden Wochen aufgeklärt werden. Die Frage der Verwertbarkeit der Beweise ist in Kenntnis aller Umstände, die zu ihrer Erlangung geführt haben, zu klären.“

Hierauf gestützt wurde beantragt, die wesentlichen Informationen des französischen Ausgangsverfahrens zu beschaffen, um mit diesen zentrale Rechtsfragen zu klären. Die Verhandlung ist bislang ohne Eintritt in die Beweisaufnahme unterbrochen. Die Kammer wird über die Anträge und das weitere Vorgehen beraten.