Wenn Strafverfolgungsbehörden einen Durchsuchungsbeschlusses von den Ermittlungsgerichten haben wollen, sind leider die Anforderungen nicht besonders hoch (vgl. den Blogeintrag unseres Kollegen RA Dr. Momme Buchholz vom 19. April 2021). Speziell im Betäubungsmittelstrafrecht verschlechtert sich die Lage der Verteidigung noch durch die Weite der Tatbestände (insbesondere eines unerlaubten Handeltreibens): Man kann sich strafbar machen, ohne selbst eine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit auf den „Stoff“ zu haben, ohne bei der Übergabe der Drogen dabei gewesen zu sein, und selbst dann, wenn es zu einer solchen nie gekommen ist. Nach ständiger Rechtsprechung ist zur Verwirklichung des Tatbestandsmerkmals ausreichend, dass ernsthafte Verhandlungen geführt bzw. Absprachen über Betäubungsmittelgeschäfte getroffen wurden.

Aufgrund dessen werden strafprozessuale Maßnahmen wie Durchsuchung, längerfristige Observation bzw. Telekommunikations- oder Kraftfahrzeuginnenüberwachung regelmäßig mit abgehörten Äußerungen begründet, denen ein Bezug zu (angeblichen) Drogengeschäften erst durch Interpretationen der Ermittler verliehen wird. Die Gerichte gebieten der extensiven Nutzung einschneidender Ermittlungsmethoden regelmäßig nur bedingt Einhalt. Sie verlassen sich auf den (unterstellten) Erkenntnisvorsprung der Strafverfolger, obwohl die Gespräche häufig aus dem Kontext gerissen oder auch falsch übersetzt werden. So wird aus Unverstandenem und Verklausuliertem (vor?)schnell konspirativ Kriminelles.

Dem Mandanten unseres Kollegen RA Felix Schmidt  wird vorgeworfen, auf internationaler Ebene als Organisator mit verschiedenen Drogen Handel zu treiben. Gegen ihn und mehrere weitere Beschuldigte wurde über mehrere Monate verdeckt ermittelt, so wurde die Telekommunikation nahezu vollumfänglich überwacht, einzelne Beschuldigte wurden observiert und zum Teil deren Fahrzeuge verwanzt. Als die Ermittlungsbehörden meinten, genug belastendes Material zusammengetragen zu haben, wurde gegenüber dem Amtsgericht Kiel die Durchsuchung beantragt, nach Erlass der entsprechenden Beschlüsse wurden die Wohnungen durchsucht und verschiedene Gegenstände (Computer, Router, USB-Sticks und Mobiltelefone) beschlagnahmt.

RA Schmidt hat Beschwerde gegen den betreffenden Durchsuchungsbeschluss eingelegt und gerichtliche Entscheidung bezüglich der sichergestellten Gegenstände beantragt. Nachdem ihm Einsicht in die Ermittlungsakte gewährt wurde, hat er die Rechtsbehelfe u.a. damit begründet, dass für die Behauptung, die Gespräche wären auf Betäubungsmittel bezogen gewesen, nachvollziehbare Belegen fehlten und die vermutet kriminelle Beziehung seines Mandanten zu den übrigen Beschuldigten nur auf vage Vermutungen gestützt wurde.

Das Amtsgericht Kiel hatte der Beschwerde nicht abgeholfen und den angegriffenen Durchsuchungs- bzw. Beschlagnahmebeschluss für rechtmäßig erachtet. Nun oblag es dem Landgericht, über die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Maßnahmen zu befinden. Das Landgericht Kiel ist dabei der Auffassung von RA Schmidt beigetreten und sah sich überdies auch gehalten, mit deutlichen Worten die Anforderungen an den Anfangsverdacht für Durchsuchungen zu präzisieren:

„Die vorliegenden und aus der Telekommunikationsüberwachung […] herrührenden Indizien reichen auch im Rahmen einer Gesamtwürdigung nicht zur Begründung eines Anfangsverdachts wegen gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß §§ 29 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 1, S. 2 Nr. 1, 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG aus.“

In Übereinstimmung mit den Ausführungen von RA Schmidt stellte das Landgericht insbesondere fest, dass aus den verklausulierten Telefongesprächen kein Bezug zu Betäubungsmittelgeschäften abzuleiten sei. Auch aus der Tatsache, dass die Beteiligten über (hohe) Geldbeträge gesprochen haben könnten, sei nicht zu schließen, dass diese durch den Verkauf von Drogen generiert worden seien, zumal die Beteiligten auch andere Geschäfte geführt hätten. Auch der Umstand, dass sich einzelne Beschuldigte konspirativ trafen und hierbei etwas übergeben wurde, war nach Auffassung des Gerichts nicht geeignet, einen Tatverdacht wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu begründen, da nicht ermittelt werden konnte, dass es sich bei den Gegenständen tatsächlich um Betäubungsmittel handelte.

Mit dieser erfreulichen Entscheidung geht aus Sicht der Verteidigung der rechtsstaatliche Anspruch einher, dass im frühen Ermittlungsstadium stark in die Privatsphäre eingreifende Ermittlungsmaßnahmen lediglich dann angeordnet werden, wenn diese mit objektivierbaren Anhaltspunkten begründet werden können.