In der ersten Ausgabe 2021 des Juris PraxisReports Insolvenzrecht hat unser Kollege Rechtsanwalt Dr. Buchholz sich mit einer Entscheidung des Landgerichts Regensburg (die Entscheidung finden Sie hier) zu den Voraussetzungen der Bestellung zum Pflichtverteidiger in Insolvenzstrafsachen auseinandergesetzt.

Das LG Regensburg hatte in einem Strafverfahren wegen des Vorwurfs zweier vorsätzlicher (GmbH-) Insolvenzverschleppungen zu entscheiden, ob die Voraussetzungen notwendiger Verteidigung vorliegen. Die Generalklausel des § 140 Abs. 2 StPO hat den folgenden Wortlaut:

„Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt auch vor, wenn wegen der Schwere der Tat, der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann.“

Bei Insolvenzstrafsachen ist insbesondere der Aspekt der schwierigen Sachlage von Bedeutung.

Eine schwierige Sachlage wurde von der Rechtsprechung häufig (bei Berücksichtigung aller Umstände in einer Gesamtschau) dann angenommen, wenn Akteneinsicht zur Verteidigung notwendig war. Akteneinsicht wurde bis vor wenigen Jahren ausschließlich Verteidigern gewährt. Die entsprechende Norm (§ 147 StPO) wurde jedoch im Jahr 2017 grundlegend reformiert. Nun haben auch Beschuldigte selbst das Recht, Einsicht in die Akten zu nehmen. Damit stellt sich die Frage, inwieweit die Rechtsprechung sich ändern wird. Hier ist vieles noch im Fluss.

Nach Auffassung von RA Dr. Buchholz (und im Ergebnis auch des LG Regensburg) ist das Akteneinsichts-Argument aber auch heute noch valide. Denn eine effektive Ausübung des Akteneinsichtsrechts erschöpft sich nicht in der – insoweit auch dem Beschuldigten eröffneten – Möglichkeit der Kenntnisnahme der Akten, sondern erfordert ein Verständnis des Akteninhalts und dessen sachgerechte straf- und strafprozessuale Bewertung im Hinblick auf Verteidigungschancen bzw. -strategie. Deshalb ist es dann rechtlich geboten, einen Pflichtverteidiger zu bestellen.

So verhält es sich insbesondere in Wirtschaftsstrafsachen wie der vorsätzlichen Insolvenzverschleppung. Erst recht muss dies für Sachverhalte gelten, in denen sich die Staatsanwaltschaft zur Erschließung des komplizierten Akteninhalts einer Bilanzbuchhaltungs-Fachkraft bedient.