In der vergangenen Woche hat unser Kollege Dr. Michael Gubitz bei der BRAK in Berlin einen Vortrag über Staatshaftung im Bereich des deutschen Strafrechts vor dem Legal Affairs Committee of the National People’s Congress of the People’s Republic of China gehalten. Die hochrangige Delegation war mit dem Kollegen Dr. Marco Haase von der GIZ angereist, um sich für ein Reformprojekt im chinesischen Recht inspirieren zu lassen. Auch wenn die staatliche Haftung für Rechtsverstöße im Bereich des Straf- und Strafvollstreckungsrecht sicher noch ausbaufähig und anwaltliche Erfolge nicht an der Tagesordnung sind, konnte unser Kollege doch seinen Bericht auch mit Beispielen aus der Praxis von Gubitz und Partner veranschaulichen.

Nach einer Einleitung zur Amtshaftung und dem Wesen von immateriellen Schadensersatzansprüchen ging es also um verschuldensabhängige (§ 839 Abs. 1 BGB, Art 34 GG) und vor allem auch -unabhängige Ansprüche bei staatlichen Rechtsverletzungen, hier stichwortartig ein kleiner Einblick:

  1. Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen – StrEG: Das StrEG begründet verschuldensunabhängige Ansprüche. Sie sind auf Entschädigung wegen fehlerhafter strafrechtlicher Entscheidungen und Maßnahmen gerichtet. Dabei klingt der Name nach einer umfassenderen Regelung möglicher Rechtsverletzungen im Strafverfahren, als sie das Gesetz tatsächlich enthält. Die einzelnen Anspruchsgrundlagen sind recht eng auf ausgewählte Strafverfolgungsmaßnahmen (z.B. Haft, Durchsuchung, Beschlagnahme) zugeschnitten. Bei Ermessenseinstellung besteht ein Anspruch nur, „soweit dies nach den Umständen des Falles der Billigkeit entspricht“,  § 3 StrEG. Erstattet werden jeweils Vermögensschäden (§ 7 Abs. 1, 2 StrEG) und bei Freiheitsentziehungen aufgrund gerichtlicher Entscheidung auch ein Nichtvermögensschaden in Höhe von 75 € für jeden angefangenen Tag (§ 7 Abs. 1, 3 StrEG). Dabei wurde dann auch das Reformvorhaben des BMJ angesprochen (Erhöhung auf 100,- €!).
  2. Art. 5 Abs. 5 EMRK gewährt einen ebenfalls verschuldensunabhängigen Anspruch auf Ersatz materieller wie immaterieller Schäden durch eine gegen Art. 5 EMRK verstoßende Festnahme oder Freiheitsentziehung gegen den jeweils verstoßenden Mitgliedsstaat der Konvention. Beispiele: Unverhältnismäßige Straf-, U-Haft oder Sicherungsverwahrung, Einkesselung von Demonstranten. Nicht abschließennd geklärt ist in diesen Fällen, ob die Entschädigung gem. StrEG = 75,- € beträgt, oder mehr (weil unverhältnismäßig) oder weniger (weil ja immerhin nicht unschuldig) …
  3. Rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung, §§ 198, 199 GVG: „Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. (…) Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1.200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.“ Aber: § 198 Abs. 4 GVG: „Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war.“  § 199 GVG erfasst leider nicht die staatsanwaltschaftliche Tätigkeit im Verfahren der Strafvollstreckung.

Hier noch eine Impression von der paritätisch besetzten Kommission betreut von Frau Swetlana Schaworonkowa, Senior Legal Advisor at the German Federal Bar (BRAK) und Herrn Dr. Haase (GIZ) sowie unserem Kollegen, der sich über einen Tischläufer aus 100% echter Seide freuen durfte.