In den Kieler Nachrichten vom 18. Juni 2024 war unter der Überschrift „Land nimmt Kriminellen über 55 Millionen weg“ ein wohlwollender Bericht über die Möglichkeiten von Staatsanwaltschaften und Gerichten zu lesen, Gewinne aus Straftaten abzuschöpfen. Ausgangspunkt ist die Änderung des Einziehungsrechts im Jahre 2017, seit der die Summen, die von den „Kriminellen“ an den Staat wandern, jährlich steigen.

Wermutstropfen sind laut des Berichts nur der gestiegene Arbeitsaufwand der (jedenfalls subjektiv ohnehin notorisch überbelasteten) Staatsanwaltschaft und Defizite bei der grenzüberschreitenden Vollziehung.

Aus rechtstaatlicher und verfassungsechtlicher Sicht fallen einem aber tatsächlich noch mehr Kritikpunkte ein. So führte unser Kollege Dr. Buchholz ein Interview mit den KN, das dann am 22. Juni 2024 auch abgedruckt wurde. Dabei hat unser Kollege keine grundsätzlichen Einwände gegen das Bestreben, aus Straftaten erlangte Erlöse abzuschöpfen. Die so wiedergewonnenen Beträge mögen auch gerne, wo Opfer existieren, an diese, oder in anderen Fällen an den Staat, ausgekehrt werden.

Zu kritisieren ist aber:

1. Eine sehr weite Auslegung dessen, was die „Kriminellen“ erreicht haben, führt in einer Vielzahl von Fällen zu einer vom Schuldprinzip nicht gedeckten zusätzlichen Bestrafung. Beispiel: Beim Drogenhandel kann nicht nur der Gewinn, sondern der gesamte Umsatz eingezogen werden, das nennt sich „Bruttoprinzip“, also: Drogen für 3.000,- € gekauft, für 4.000,- € verkauft, d.h. 4.000,- € werden eingezogen. Das kann man ja für wünschenswert halten, müsste dann aber hier und auch bei allen strafbaren Geschäften außerhalb des Drogenhandels (z.B. Betrug) bei der Strafzumessung berücksichtigt werden! Dann müsste also dieser Eingriff in Vermögen, das der Beschuldigte schon vor der Straftat hatte, dazu führen, dass eben eine entsprechend geringere Freiheits- oder Geldstrafe neben der Einziehung ausgeurteilt wird. Denn diese Freiheits- oder Geldstrafe gibt es ja auch noch – und sie soll das Maß der Schuld abbilden. Wenn aber auch ein manchmal fünf- oder sechsstelliger Einziehungsbetrag aus dem schon vor der Tat vorhandenen Vermögen weggenommen wird, sollte das bei der Bemessung dieser Hauptstrafen berücksichtigt werden.

2. Manchmal erlangen Beteiligte an einer Straftat nur kurzzeitige Verfügungsgewalt über die Beute und später dann nur ein kleinen Lohn für ihren Beitrag. Auch hier kann es dazu kommen, dass auch bei ihnen eine Einziehungsentscheidung hinsichtlich des gesamten Beutewerts ergeht. Das hat mit Abschöpfung des Erlangten nichts zu tun, sondern geht eben weit darüber hinaus.

3. Beide genannten Punkte stehen nicht selten auch einer Resozialisierung entgegen. Denn vollstreckt wird auch, wenn nichts mehr von der Beute/dem Beuteanteil im Vermögen des Täters vorhanden ist. Das erscheint natürlich besonders ungerecht, wenn Beteiligte die Beute nur zeitweise in ihrem Besitz hatten, betroffen sind aber auch alle anderen. Die ziemlich gnadenlose Vollstreckung auch bei mittlerweile Mittellosen führt zu der Konsequenz, dass kein Anreiz mehr besteht, einer legalen Tätigkeit nachzugehen, wenn sowieso der Lohn gepfändet wird.

Vor der Gesetzesänderung gab es eine Härteregelung, die es ermöglichte, auf besondere Situationen einzugehen. Diese wurde jedoch in mehreren Schritten faktisch abgeschafft.

Hier der Artikel in Gänze:

KN Interview mit Rechtsanwalt Buchholz