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Das war eine sehr erfreuliche Entscheidung, die unseren Kollegen Momme Buchholz und seinen Mandanten vier Tage vor Heiligabend erreichte: Das Landgericht Kiel hat auf die Haftbeschwerde des Kollegen entschieden, dass der Mandant aus der Untersuchungshaft zu entlassen ist. Das Amtsgericht Neumünster war (wie auch die Staatsanwaltschaft) noch anderer Auffassung.

Dem Ganzen liegt ein brutales Geschehen zugrunde. Unstreitig haben drei Personen mit Tritten und Schlägen eine am Boden liegende Person malträtiert. Unser Mandant bemerkte dies, eilte zu Hilfe und hat auf einen der Angreifer dreimal mit einem Messer eingestochen. Der erste Stich war lebensgefährlich. Jurist:innen sprechen in einem solchen Fall nicht von Notwehr, weil unser Mandant ja nicht selbst angegriffen wurde, sondern von Nothilfe.

Es stellten sich die folgenden Rechtsfragen: Liegt so ohne weiteres Notwehr, hier in der Form der Nothilfe, vor? Oder hatte unser Mandant gegenüber einem unbewaffneten Angreifer den Gebrauch des Messers zuvor mit Worten anzudrohen (z.B. „Lass ihn! Ich hab ein Messer, ich stech dich!“?) Juristenantwort: Eigentlich ja. Ist der Versuch zu unternehmen, auf weniger sensible Körperpartien einzustechen, wenn die Drohung mit dem Messer nicht ausreicht, den Angreifer von seinem Tun abzubringen? Auch eigentlich ja.

Aber: Diese Einschränkungen des Notwehr(hilfe)rechts stehen unter dem Vorbehalt, dass die Drohung oder der weniger gefährliche Messereinsatz unter den konkreten Umständen eine gleich hohe Erfolgsaussicht haben. Das Risiko eines Fehlschlags und eine damit verbundene Eigengefährdung des Helfers ist diesem nicht zuzumuten. Hier wäre es zu einer solchen gekommen, wenn man das Notwehrrecht eingeschränkt hätte. In einer derart zugespitzten Situation ist die Hilfe schwer kalkulier- und dosierbar. Dann dürfen an die Verteidigungshandlung keine überhöhten Anforderungen gestellt werden.

Dementsprechend hat unser Mandant auch nach der Auffassung des Landgerichts gerechtfertigt gehandelt. Es sei hier auch zu berücksichtigen, dass es sich um einen Angriff von drei Tätern gehandelt habe, die massiv auf ihr am Kopf blutendes Opfer einwirkten. Außerdem sei auch nicht auf den ersten Blick erkennbar gewesen, ob auch sie bewaffnet waren. Schließlich weist das Gericht auch noch darauf hin, dass im Hinblick auf unterschiedliche Sachverhaltsversionen auch der Zweifelsgrundsatz gelte.

Rechtsanwalt Dr. Buchholz
Rechtsanwalt Dr. Buchholz (Foto: Pepe Lange)

All dies hatte auch unser Kollege in der von ihm eingelegten Haftbeschwerde so vorgetragen. Das Verfahren geht vorerst weiter, also auch die Ermittlungen. Von deren Ergebnis wird abhängen, ob auch der für eine Anklageerhebung erforderliche hinreichende Tatverdacht mit einer ähnlichen Begründung abgewehrt werden kann.