Die Annahme eines Beweisverwertungsverbots kommt in der deutschen Strafrechtspraxis selten vor. Hier aber hat sich das Landgericht veranlasst gesehen, ein Machtwort zu sprechen. Über das zugrundeliegende Verfahren des Kollegen Weber haben wir hier im Blog schon im Mai berichtet. Gegen den Mandanten wird ein Strafverfahren wegen unerlaubten Glückspiels (§ 284 StGB) geführt. Auf entsprechenden Antrag hatte das Landgericht bereits die Herausgabe von bei einer Durchsuchung sichergestelltem Bargeld angeordnet, weil dieses weder als Beweismittel noch als Einziehungsgegenstand in Betracht kam.

Der Mandant ist Barbetreiber. Im Rahmen einer allgemeinen Gaststättenkontrolle hielten die Beamten zwei der dort aufgestellten Automaten für illegal und nahmen gegen 19 Uhr Kontakt zur neu geschaffenen „Ermittlungsgruppe zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität“ bei der Generalstaatsanwaltschaft auf. Der zuständige Staatsanwalt ordnete daraufhin „wegen Gefahr im Verzug“ die Durchsuchung an, ohne Kontakt mit dem zuständigen richterlichen Bereitschaftsdienst beim Amtsgericht Flensburg aufzunehmen, obwohl dieser bis 21 Uhr erreichbar war. Im Rahmen der Durchsuchung wurden unter anderem das bereits herausgegebene Bargeld, das Handy des Mandanten sowie ein Tresor sichergestellt.

Der Kollege Weber hat neben dem (erfolgreichen) Antrag auf Herausgabe des Bargelds beim Amtsgericht Flensburg zudem einen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Durchsuchung gestellt und diesen mit einem Verstoß gegen den Richtervorbehalt begründet. Dem liegt zugrunde, dass Durchsuchungen grundsätzlich nur durch ein Gericht angeordnet werden dürfen. Nur bei Gefahr im Verzug, wenn also durch das Erwirken eines Durchsuchungsbeschlusses Beweismittelverlust droht, kann die Anordnung auch durch die Staatsanwaltschaft oder ihre Ermittlungspersonen erfolgen.

Eine solche Gefahr bestand hier jedoch nicht. Der richterliche Bereitschaftsdienst war telefonisch noch erreichbar, die Situation vor Ort in der Bar war ruhig und zudem durch mehrere Polizeibeamte abgesichert. Anhaltspunkte dafür, dass in der Zeit eines Telefonats mit dem Amtsgericht Beweismittel hätten verloren gehen können, bestanden nicht. Das Amtsgericht Flensburg hat die Auffassung der Verteidigung geteilt und festgestellt, dass die Durchsuchung rechtswidrig gewesen ist.


Bild: Pepe Lange

Auf Grundlage dieses Beschlusses hat der Kollege Weber sodann mit einer Beschwerde die Herausgabe auch der weiteren bei der Durchsuchung sichergestellten Gegenstände beantragt, weil diese wegen des Verstoßes gegen den Richtervorbehalt einem Beweisverwertungsverbot unterlägen. Ein solches Beweisverwertungsverbot ist nach der Rechtsprechung immer dann anzunehmen, wenn ein schwerwiegender, bewusster oder willkürlicher Verfahrensverstoß vorliegt. Dieser Beschwerde hat das Amtsgericht Flensburg nicht abgeholfen, weil es einen solchen qualifizierter Verfahrensverstoß hier nicht gesehen und angenommen hat, dass auch ein Gericht – wäre es denn angerufen worden – den Durchsuchungsbeschluss in jedem Fall erlassen hätte.

Darüber hatte nach der ablehnenden Entscheidung des Amtsgerichts nun das Landgericht Flensburg zu entscheiden. Da auch die Generalstaatsanwaltschaft Beschwerde gegen den amtsgerichtlichen Beschluss über die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Durchsuchung eingelegt hatte, kam es auch insoweit zu einer Entscheidung des Landgerichts. Dieses ist der Auffassung des Kollegen vollumfänglich gefolgt und hat die Herausgabe aller Gegenstände angeordnet .

Zur Begründung hat das Landgericht zunächst ausgeführt, dass der anordnende Staatsanwalt schon gegen die verfassungsrechtlich verankerte Pflicht zur Dokumentation der Umstände, die zur Annahme von Gefahr im Verzug geführt haben, verstoßen habe. Diese Dokumentation war nämlich erst  etwa ein halbes Jahr, nachdem der Kollege Weber den Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Durchsuchung gestellt hatte, erfolgt. Unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat das Landgericht dazu ausgeführt, dass diese nachträgliche Begründung nicht berücksichtigt werden konnte. Anderenfalls würde durch ein solches Nachschieben von Gründen nämlich ein Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit stets ins Leere laufen.

Ob bereits dieser Umstand zur Rechtswidrigkeit der Durchsuchung geführt hat, hat das Landgericht letztlich offengelassen, weil selbst bei Zugrundelegung des nachträglichen Vortrags der Generalstaatsanwaltschaft keine Gefahr im Verzug vorgelegen habe. Diese durch die Generalstaatsanwaltschaft angeführten Umstände seien nicht plausibel. Es gehe daraus nicht hervor, warum ein Telefonat mit dem richterlichen Bereitschaftsdienst zu einem Beweismittelverlust geführt hätte, zumal sich der Mandant zum Zeitpunkt der Anordnung ruhig verhalten habe.

Es stelle auch eine schwerwiegende Verkennung des Richtervorbehalts dar, wenn die Staatsanwaltschaft der Auffassung sei, sie könne beim Auffinden von Glückspielautomaten wegen der Möglichkeit von Vereitelungshandlungen losgelöst vom Einzelfall stets selbst eine Durchsuchung anordnen. Dies gelte umso mehr, als es sich bei der Durchsuchung offenbar um eine größer angelegte und gezielte Maßnahme gehandelt habe und die Zuständigkeit schon zuvor auf die Generalstaatsanwaltschaft übertragen worden sei. Dem Umstand, dass ein Durchsuchungsbeschluss mit hoher Wahrscheinlichkeit erlassen worden wäre, komme wegen des schwerwiegenden Rechtsfehlers keine Bedeutung mehr zu.

Die im Rahmen der Durchsuchung sichergestellten Beweismittel unterliegen damit einem Beweisverwertungsverbot und sind nun herausgegeben worden.